NICHOLAS ASHTON, K L A V I E R
Josef Haydn
Sonate Hob.XVI:41 B-Dur
1. Allegro
2. Allegro di molto
Diese Sonate ist die zweite aus einer Sammlung von insgesamt drei Sonaten, die zusammen als Hob.XVI 40 G-Dur, 41 B-Dur und 42 D-Dur herausgegeben wurden. Haydn komponierte diese Sonaten im Jahr 1784 und widmete sie der Prinzessin Marie Esterhazy, bei deren Familie er angestellt war. Im Zusammenhang mit dem Entstehungsjahr fällt auf, dass sich in diesem Jahr Haydn und Mozart begegnet waren. Zwischen beiden Komponisten entspann sich sofort eine Beziehung, die auf gegenseitiger Bewunderung beruhte. Die sechs sogenannten „Haydnquartette“, die der jüngere Mozart Joseph Haydn widmete, sind eine greifbare Folge dieser Begegnung.
Allerdings b ringt ein Vergleich zwischen dem, was Mozart in diesem Jahr für Klavier komponierte, zu diesen Haydn Sonaten kaum einen Hinweis auf den gegenseitigen Einfluss der beiden Komponisten auf einander. Mozart arbeitete u. a. in dieser Zeit an seiner dramatischsten und meist vorwärtsgerichteten Klaviersonate in c-Moll KV 457, während sich Haydn in diesen Sonaten mit einer wesentlich heitereren Stimmung beschäftigt.
Der erste Satz, ein lebhafter und prägnanter Sonatensatz, beginnt zunächst mit einer verspielten, fast schon kokett-humoristischen Eröffnung in marsch-ähnlichem punktierten Rhythmus, den Haydn dann später im zweiten Thema aufbricht. Dieses zweite Thema ist im Gegnsatz zum ersten Thema eine graziöse und nachdenkliche Melodie, die von schlichten Triolen begleitet fast wie eine Arie wirkt. Die Durchführung – ganz typisch für Haydn – schert abrupt in eine drastische Modulation nach Des-Dur aus. Kein anderer Komponist verstand sich besser darauf, in seinen Durchführungen das Publikum kollektiv zum Luftanhalten zu bringen wie Josph Haydn. An dieser Stelle schafft Haydn einen Moment von höchster Instabilität! Er tut das mit größter Intelligenz und Witz.
Der zweite Satz ist ein gleichermaßen raffinierter Rondosatz. Der Anfang des Satzes birgt eine gewisse Ähnlichkeit mit der Struktur dem etwa 36 Jahre später komponierten Giganten „Hammerklaviersonate“ op. 106 von Ludwig van Beethoven in sich. Während immer wieder die enge Beziehung zwischen Haydn und Mozart besprochen wird, wird all zu leicht übersehen, eigentlich sogar: missinterpretiert, dass auch Beethoven ein ganz großer Bewunderer und Kenner von Joseph Haydns Schaffen war. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich selbst diese von Leichtigkeit und Humor getragene Sonate (übrigens in der selben Tonart wie die Hammerklaviersonate!) Beethovens Aufmerksamkeit entzogen haben könnte.
Arnold Schoenberg
Sechs kleine Klavierstücke op 19
Schönbergs Klavierkompositionen sind historisch gesehen von großer und einflussreicher Bedeutung, obwohl er – anders als seine Zeitgenossen Bartók, Stravinsky und Prokovieff – kein ausgebildeter Pianist war. Sein Klavierwerk ist wesentlich vielgestaltiger als das seiner engsten Kollegen Alban Berg, dessen einziges Stück für Klavier die Sonate op. 1 ist, und Anton Webern, der ebenfalls ein einziges Klaviestück, Variationen op. 27, hinterlassen hat. Schönberg komponierte 4 Sammlungen von Klavierstücken op 11, 19, 23, 33, eine Suite op. 25 und natürlich sein Klavierkonzert op. 42.
In seiner Vorliebe für kleine Formen innerhalb derer er mit neuen kompositorischen Ideen und Techniken experimentierte, kann man Schönberg gut mit Johannes Brahms vergleichen, den er für ein sehr progressives und ebenso experimentelles Wesen hielt. Die musikalische Sensibilität, die diese beiden Komponisten gemeinsam haben, wird oft übersehen. Trotz aller innovativen Ansätze seiner Kompositionstechniken, war Schönberg ein Komponist mit sehr romantischen Wurzeln. Er stand in der deutsch-wienerischen Tradition von Haydn und Beethoven, was sein wunderbares Buch ‘Grundlagen der musikalischen Komposition’ sehr deutlich veranschaulicht.
Die Klavierstücke op. 19 entstanden im Jahr 1911. Sie stellen vielleicht das konzentrierteste Werk des Komponisten dar. Der innere Hauptgedanke dieser Musik ist melodisch, sorgfältig eingewebt in einen nicht tonalen Rahmen, obwohl die Erinnerung an harmonische Auflösung noch über dieser Musik zu schweben scheint, insbesondere bei harmonischen Wendepunkten und an einigen Phrasenenden.
Die Kürze der Stücke, ihre leisen Klangfarben und die Arbeit mit kleinen Melodiefragmenten oder -zellen zeigen eine größere Affinität zu Anton Webern als alle anderen Werke Arnold Schönbergs.
Das erste Stück ist mit 17 Takten das umfangreichste in der Sammlung. Es besteht aus acht feingliedrigen Phrasen, die von winzigen kadenzartigen Zwischenspielen unterbrochen werden. Diese kleinen Zwischenspiele sind an ihrem punktierten Rhythmus und höchst filigranen Arperggios unverkennbar.
Im zweiten Stück steht ein statisch rythmisiertes Motiv auf einer kleinen Terz. Über dieses repetierende Terzmotiv fließt eine kurze Melodie hinweg.
Im dritten Stück stellt Schönberg in der rechten Hand dichte Forte Akkorde melodischen Konturen der linken Hand in Pianissimo Oktaven gegenüber.
Das vierte Stück beginnt sehr zart mit luftig punktierten rhythmischen Figuren und endet in brutal gehämmerten Umkehrungen dieser Eröffnung.
Auch das fünfte Stück, eine gesiterhafte Reminiszenz an ein Menuett, beginnt ebenfalls sehr ruhig und exlodiert dann nach sehr kurzer Zeit in Kaskaden von abfallenden großen und kleinen Terzen.
Das letzte Stück aus op. 19 ist eine außergewöhnlich ergreifende Hommage an Gutav Mahler, der zwei Wochen bevor Schönberg das Stück schrieb gestorben war. Man nimmt an, dass dieses Stück als eine Art Anti-Trauermarsch einzuordnen ist, in dem die Akzente auf den schweren Taktteilen eliminiert sind. In diesem Stück arbeitet Schönberg mit absoluten Extremen der leisen Dynamik, am Ende schreibt er ein vierfaches Pianissomo vor mit der Anmerkung „wi ein Hauch“.
Robert Schumann
Papillons, op. 2
Die „Papillons“op. 2 sind das zweite Werk Schumanns, das im Druck erschien (1832), davor waren die „Abegg Variationen“ op. 1 veröffentlicht worden. Der Titel „Papillons“ (frz. Schmetterlinge) geht vermutlich Gedichte zurück, die Schumann zwei Jahre zuvor geschrieben hatte, als er im Hause seines Klavierlehrers und späteren (widerwillgen) Schwiegervater Friedrich Wieck lebte.
Die Gedichte waren unbekümmerte Charakterisierungen seines Lehrers und verschiedener Freunde. Der fantastische Aspekt in diesen Gedichten spielt die zentrale Rolle für den flüchtigen Charakter, der die später entstandene Klavierkomposition kennzeichnet.
Im Finale beschwört Schumann die Stimmung eines Maskenballes herauf, er zitiert in diesem Zusammenhang den volkstümlichen Walzer „Großvatertanz“. Dieses Bild ist dem zeitgenössischen Roman „Die Flegeljahre“ von Jean Pault entlehnt. Diese fast programmatische Prinzip baut Schumann in späteren umfangreicheren Klavierwerken weiter aus. Insbesondere im „Carneval“ op. 9, in dem jedes einzelne Charakterstück mit einem beschreibenden Titel versehen ist.
Das Werk beginnt mit einer arpeggierten Figuration, gerade so als würde sich der Vorhang öffnen und den Blick freigeben auf einen winzigen sanft melancholischen Walzer. Ein typisches ‘Eusebius-Thema’ (Schumann hat in seiner Klaviermusik vor allem zwei seiner Kunstfiguren sprechen lassen, die aus dem von Schumann geschaffenen imaginären Davidsbund stammen: Den lyrisch-melancholischen Eusebius und den stürmischen, übermütigen Florestan). Eine unerwartete jähe Modulation von D-Dur nach Es-Dur katapultiert den überschäumenden Florestan auf die Bühne. Beide treten im Wechsel auf, Florestan in den Stücken 3,4,6,8 und 9, Eusebius in 1,5 und 7. In den Stücken 10, 11 und im Finale treten beide Figuren gleichzeitig auf.
Eine weitere Besonderheit der „Papillons“ ist die Art, in der Schumann mit größter Geschicklichkeit Tonarten direkt neben einander stellt, die scheinbar gar nichts mit einander zu tun haben. Das verleiht dem Werk eine schier halluzinatorische Qualität.
Ludwig van Beethoven
Sonate op. 26 As-Dur
Andante con Variazioni
Scherzo, Allegro molto
Marcia Funèbre
Allegro
Diese Sonate entstand im Jahr 1802 in Wien. Sie ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Beethovens graduelle Weiterentwicklung der strengen Sonatenform hin zu individuellen Formstrukturen. Dieses Bestreben spielte in Beethovens Schaffen, vor allem in den Sonaten der mittleren und späten Periode eine wesentliche Rolle. Keiner der vier Sätze ist in der Form des Sonatenhauptsatzes gehalten: der erste Satz ist ein Thema mit Variationen, der zweite ist ein schnelles, raffiniertes Scherzo mit Trio, der dritte ein Trauermarsch, und das Finale ist ein Rondo.
Daraus ergibt sich ein damals neuartiges Zusammenspiel von formaler Struktur und esspressivem Inhalt. Dadurch wirkt die Musik weniger formell und fließender als frühere Werke Beethovens. Die beiden folgenden Beethoven-Sonaten, op. 27, sind mit „Quasi una fantasia“ überschrieben, diese Bezeichnung könnte in direkter Verbindung mit den Experimenten, mit denen Beethoven in der
As-Dur Sonate op. 26 begonnen hatte, stehen.
Die Tonart As-Dur zeichnete eine esspressive und lyrische Haltung des Komponisten nach; der langsame Satz seiner vielleicht berühmtesten Sonate, der „Pathétique“ op. 13 (c-Moll), steht in dieser Tonart, ebenso der aussergewöhnliche langsame Satz der etwas weniger bekannten Sonate in c-Moll op. 10 Nr. 1. In beiden Fällen benutzt Beethoven die Tonart As-Dur für den langsamen Mittelsatz, um aufzuatmen inmitten des Dramas und der Spannung der Ecksätze in der Grundtonart c-Moll. Beethoven hat hier ein Tonartenverhältnis geschaffen, das in der Musiktheorie als ‘Gegenklang’ bzw. ‘Unter- und Obermediante’ bezeichnet wird, das zu einem festen Bergif im harmonischen Denken der Komponisten wurde. Schuberts Harmonik ist sehr stark von dieser Beethoven’schen Findung beeinflusst.
Beethoven hat am Ende seines Schaffens noch eine zweite Sonate in As-Dur komponiert. Dabei handelt es sich um die Sonate op. 110, die den esspressiv- lyrischen Aspekt der Sonate op. 26 wieder aufnimmt und zur Meisterschaft auf die Spitze treibt.
Beide Faktoren, formale Struktur und harmonische Verwandtschaften der Sonate op. 26, sind offenbar auch Frédéric Chopin ins Auge gefallen. Er hat diese Sonate sehr bewundert und hat sie oft unterrichtet. Auch ist es möglich, dass der dritte Satz, der Trauermarsch, eine Art Ausgangspunkt war für den Trauaermarsch, den er in seiner b-Moll Sonate op. 35 komponierte. Ein innerer Unterschied ist, dass Beethovens Trauermarsch einem gefallenen Helden gezollt ist, während es bei Chopin um den Abgrund von Trauer, Einsamkeit und Verlust geht.
Nicholas Ashton (Translation Franck-Thomas Link)